Modellseilbahnen
Der Modellbau von Seilbahnen ist im Vergleich zu anderen Modellbausparten wie z.B. Flug-, Schiffs-, Auto- oder Eisenbahnmodellbau eine eher selten ausgeübte Freizeitbeschäftigung. Der Grund dafür könnte sein, dass es am Markt kaum entsprechende Produkte gibt, die einen Einstieg in dieses Hobby erleichtern würden. Abgesehen von wenigen Anbietern von Spielzeugseilbahnen und Seilbahnmodellen zur Ergänzung von Modelleisenbahnanlagen sind keine Firmen bekannt, die Bauteile und Zubehör speziell für den Selbstbau von Modellseilbahnen anbieten. Will ein Modellbauer eine funktionierende Seilbahn nach einem bestimmten Vorbild nachbauen, ist weitgehender Eigenbau angesagt. Dabei muss das benötigte Baumaterial mühsam bei verschiedenen Zubehörlieferanten aus anderen Modellbaubereichen, aus Baumärkten oder von spezialisierten Anbietern technischer Komponenten zusammengesucht werden. Trotzdem trifft man immer wieder mal auf funktionsfähige Seilbahnen von hoher modellbauerischer Qualität, und gerade weil solche Werke die Ausnahme sind, stellen sie dann einen ganz besonderen Blickfang dar.
Inhalt:
- Spielzeugseilbahnen der Firma Lehmann
- Seilbahnen auf Modelleisenbahn-Anlagen
- Titlisbahn im Verkehrshaus der Schweiz
- Luftseilbahn Lungern-Turren von Fritz Gasser
- Seilbahnen in Swissminiature Melide
- Modell eines VR101-Sessels im Massstab 1:5
- Überlegungen zu eigenen Projekten
- Modell einer Von Roll-Sesselbahn im Massstab 1:10
Spielzeugseilbahnen der Firma Lehmann
Sehr bekannt und äusserst populär waren früher die
Spielzeug-Seilbahnen im Massstab 1:22,5 von Lehmann. Diese Firma ist
auch in Modelleisenbahnerkreisen bestens bekannt als Herstellerin der
Lehmann-Gross-Bahn LGB, die sich durch ihre Grösse und Wetterfestigkeit
vor allem als Gartenbahn auszeichnet.
Erste Seilbahnen kamen bereits Ende der Zwanzigerjahre auf den Markt.
Sie waren, wie damals bei Spielzeugen üblich, ganz aus Blech gefertigt.
Grössere Verbreitung fanden sie jedoch ab den Sechzigerjahren, als die
Modelle unter dem Namen "Rigi-Seilbahn" vermarktet wurden. Es wurden
Packungen mit jeweils einer oder mit zwei Kabinen angeboten.
Angetrieben wurden die Seilbahnen entweder von Hand oder mittels eines
batteriegetriebenen Elektromotors. Die Kabinen waren auch damals noch
aus Blech gefertigt, während die Gehänge und die Umlenkräder der Tal-
und der Bergstation aus Kunststoff bestanden.
Anfang der Achtzigerjahre modernisierte Lehmann die Modellseilbahnen
grundlegend. Von nun an bestanden auch die Kabinen aus
fertigungstechnischen Gründen ganz aus Kunststoff, wobei gleichzeitig
auch die Detaillierung und die Vorbildähnlichkeit verbessert wurden.
Gleich blieb der Name
"Rigi-Seilbahn".
Nach dem Konkurs der Firma Lehmann im Jahr 2006 und der Übernahme der
Sparte Modelleisenbahn durch die Firma Märklin verschwanden die
beliebten Modellseilbahnen vom Markt. Lehmann-Seilbahnen sind seither
nur noch auf Flohmärkten oder an Occasions- und Sammlerbörsen zu
finden. Der Name "Rigi-Seilbahn" dürfte übrigens aus reinen
Marketinggründen gewählt worden sein, denn die Modelle hatten weder mit
den Seilbahnen der Rigi etwas gemeinsam, noch zeigten die Bilder auf
den Verpackungen Ausschnitte des berühmten Berges in der Zentralschweiz.
Abb.1+2: Lehmann-Seilbahn
aus den Sechzigerjahren mit Motorantrieb und einer Kabine (Rigi
Electric). Abb.3-5:
Die Kabine besteht bei diesem Modell noch aus Blech und hat eine
Schiebetüre die sich öffnen lässt. Gehänge und Laufwerk mit den
angedeuteten Rollen sind aus Kunststoff. Abb.6:
Seilbahn-Packung "Rigi Duo" für Handbetrieb aus den Achtzigerjahren.
Zur Ausstattung gehören noch vier Modellfiguren zur Bestückung der
Kabinen. Abb.7-9: Die nun
komplett aus Kunststoff bestehenden Kabinen sind mit Türen und Luken
zum Öffnen und einer herunterklappbaren Dachleiter ausgestattet. In
Form und Grösse entsprechen sie aber weitgehend den Vorgängermodellen
aus Blech.
Seilbahnen auf Modelleisenbahn-Anlagen
Seilbahnen als wirklich funkionsfähige und originalgetreue Modelle bekommt man eher selten zu sehen. Am ehesten trifft man sie noch auf Modelleisenbahnanlagen an, wo dann in den meisten Fällen eine Seilbahn des Zubehörherstellers Brawa oder neuerdings auch der Firma Jägerndorfer ihren Dienst als besonderer Blickfang tut. Im Massstab 1 : 87 (H0) bietet die Firma Brawa einen Sessellift, zwei Gondelbahnen und zwei Luftseilbahnen an. Die früher einmal angebotene Lorenseilbahn und die Standseilbahn sind zur Zeit leider nicht mehr im Lieferprogramm. Für die Liebhaber der Spur N (1 : 160) ist eine Grosskabinenumlaufbahn erhältlich. Alle Bahnen werden als Komplett-Set inkl. Antriebsmotor ausgeliefert. Für jeden Bahntyp sind auch dazu passende Stationsgebäude als Bausätze lieferbar; diese müssen aber noch extra dazu gekauft werden. Die aufwendigste Bahn ist sicher die Titlis "Rotair" im Massstab H0. Der mit Figuren bestückte Boden der Kabinen dreht sich während der Fahrt, die Kabinen sind beleuchtet und die Stationen (die Gebäudebausätze sind in diesem Set enthalten) sind mit richtig funktionierenden Schiebeperrons ausgestattet! Für detailliertere Informationen über die Brawa-Seilbahnen verweise ich auf folgenden Links:
Spur H0: http://www.brawa.de/produkte/h0/seilbahnen.html
Spur N: http://www.brawa.de/produkte/n/seilbahnen.html
Die Firma Jägerndorfer hat in der Baugrösse H0 eine hoch detaillierte Gondelbahn mit sehr guten Laufeigenschaften im Programm. Als Vorbild dient eine moderne, heutzutage vielerorts anzutreffende Kabinenumlaufbahn der Firma Doppelmayr mit typischen Kompaktstationen und Rohrstützen. Mit den als Zubehör erhältlichen Haubensesseln kann diese Modellseilbahn auch zur Kombi- oder zur reinen Sesselbahn umgestaltet werden.
http://www.jaegerndorfer.at/index.php/prospekte-seilbahn
Titlisbahn im Verkehrshaus der Schweiz
Ein schönes Ausstellungsmodell einer Luftseilbahn finden wir im Verkehrshaus in Luzern. Anhand dieser Anlage wird die Funktionsweise einer Pendelbahn anschaulich dargestellt. Durch die Plexiglasverkleidungen an den Stationen wird der Blick auf die Seilführungen, die Spannvorrichtungen und auf den Antrieb ermöglicht. Die imposante Stütze ist wie das Original aus vielen Profilen, Streben und Knotenblechen mit Hilfe von unzähligen Schräubchen zusammengesetzt. Natürlich sind die Tragseilsattel mit den nötigen Zugseilrollen ausgerüstet. Die sehr vorbildgetreu wirkenden Kabinen besitzen Gehänge in Fachwerkbauweise und aufwendige Laufwerke mit je 24 Rollen. Das Modell, das sein Vorbild übrigens in der ehemaligen Titlisbahn findet (gebaut durch Von Roll, Bern), zeigt den Stand der Seilbahntechnik aus den 60er-Jahren.
Fotos: C. Gentil
Luftseilbahn Lungern-Turren von Fritz Gasser
Fritz Gasser aus Lungern, seines Zeichens Modellbauer und
pensionierter Berufsseilbahner, baute in unzähligen Stunden ein
fantastisches Modell der alten Pendelbahn Lungern-Turren. Diese
Luftseilbahn, die die erste Sektion der Bahnen von Lungern Obsee nach
Schönbühl darstellte und von der Firma Bell erbaut wurde, war von 1960
bis zur Erstellung der Ersatzanlage im Jahr 1999 in Betrieb. Als
ehemaliger Maschinist kannte Fritz Gasser "seine" Seilbahn natürlich
in- und auswendig und Dank der technischen Unterlagen zu denen er
Zugang hatte, konnte er ein absolut massstäbliches, sehr detailgetreues
und funktionsfähiges Modell bauen.
Sämtliche
Komponenten und Einzelteile der Modellseilbahn, die im
Massstab 1:25 wiedergegeben ist, entstanden in Eigenregie aus den
verschiedensten Materialien. Zum Einsatz kamen Stahl, Aluminium,
Messing und Holz. Nicht nur die Seilbahntechnik, auch die Gebäude der
Tal- und der Bergstation wurden nach Originalplänen exakt nachgebaut.
Dabei wurden die Stationsrückwände und Teile der Dachpartien aus
Plexiglas gehalten, was den Einblick in den Maschinenraum der
Bergstation
und zur Spannvorrichtung der Talstation ermöglicht. Für die Tragseile
kamen Stahl-Litzenseile mit einem Durchmesser von zwei Millimetern zur
Anwendung, für das Zug- sowie für das Gegenseil eine Stahllitze von
einem Millimeter.
Die Seilbahn ist mit einer automatischen Steuerung ausgestattet, damit
das Modell an Ausstellungen ohne Beteiligung von Aufsichtspersonal im
Betrieb vorgeführt werden kann. Bei der Einfahrt in die Stationen
fahren die Kabinenlaufwerke auf einen gefederten Puffer auf und
betätigen einen Endschalter, der den Fahrstrom unterbricht. An einem
Timer lassen sich die Intervalle der Fahrten einstellen.
Fritz Gasser konnte seine Modellseilbahn erstmals an der
Bergbahnausstellung im Schloss Hünegg in Hilterfingen einem grösseren
Publikum präsentieren. Während dreier Sommersaisons in den Jahren 2012
bis 2014 von jeweils Mai bis Oktober absolvierte die Bahn unzählige
störungsfreie Fahrten und bewies so ihre Alltagstauglichkeit auch im
harten Ausstellungsbetrieb!
Ab Mai 2016 erfreut die Modellseilbahn nun in ihrer "alten Heimat", in
der Empfangshalle der Talstation der neu eröffneten Luftseilbahn
Lungern-Turren, als permaneter Blickfang die Gäste und dokumentiert so
ein wichtiges Kapitel der Geschichte dieser Bergbahn!
Abb.1-4: Im Freien aufgebaut wirkt die Modell-Luftseilbahn durch das natürliche Licht absolut realistisch! Abb.5: Blick durch die geöffnete Rückwand in den Maschinenraum der Bergstation. Die Anordnung und Lagerung der Treib- und Umlenkscheiben für das Zugseil entspricht dem Original. Grün in der Mitte ist der Antriebsmotor und an der rechten Wand die Ward-Leonard-Gruppe zu erkennen. Auch eine Werkbank mit Schraubstock gehört zur Ausstattung des Maschinenraums. Hier wird offenbar gerade eine Zugseilrolle aufgearbeitet! Über dem Maschinenraum auf einem Zwischenboden befinden sich die Tragseilpoller. Wie bei einer richtigen Luftseilbahn sind auch hier die nötigen Tragseilreserven aufgewickelt. Abb.6: Blick durch das Dach der Talstation in den Spannraum. Das Gegenseil sowie die Tragseile erhalten durch frei hängende Gewichte ihre nötige Spannung. Auch hier funktioniert alles wie in Wirklichkeit! Abb.7-12: Die Modellseilbahn an der Bergbahnausstellung im Schloss Hünegg in Hilterfingen. Abb.10-12: Sehr gut proportioniert wirkt auch die filigrane Stütze, die in aufwendiger Arbeit aus 3mm Stahldraht geschweisst wurde. Abb.13: Die sehr gefälligen Kabinen bestehen aus Zinkblech, Dach und Boden sind aus gefrästem Aluminium. Ebenfalls aus Zinkblech wurden die Gehänge gefertigt. Die Wippen für die Aufnahme der stählernen Laufrollenachsen wurden aus Alu zugeschnitten. Die Laufrollen sind Schnurrollen aus dem STOKYS-Metallbaukasten. Ein voll bewegliches 8-Rollen-Laufwerk besteht aus 42 Einzelteilen!
Videoclip, (MPEG-4 ca. 5,8 Mb)
Fotos: 1-6 F. Gasser; 7-13 C. Gentil
Seilbahnen in Swissminiatur, Melide
Abb.1+2: Gemsstockbahn. Abb.3: Corvatschbahn
Weitere grössere Seilbahnmodelle gibt es in der Swissminiatur in Melide (Tessin) zu bewundern. Etwa im Massstab 1 : 20 gehalten, finden wir dort Modelle der Corvatschbahn, der Luftseilbahn Andermatt - Gemsstock sowie als neueste Anlage die Titlis "Rotair". Weiter gibt es eine Nachbildung der Gondelbahn Grindelwald - Männlichen und ein Modell der Standseilbahn Lugano - Monte San Salvatore. Da es sich um robuste, wetterfeste Konstruktionen handelt, mussten bei der Detaillierung gewisse Kompromisse eingegangen werden. So sind zum Beispiel die Stützen der Corvatsch- und der Gemsstockbahn reine Zweckkonstruktionen ohne Anlehnung an das Vorbild, und bei der Männlichenbahn sind die Kabinen auf Grund ihrer Grösse nicht kuppelbar ausgeführt. Trotzdem wurden alle Seilbahnen sehr effektvoll in Scene gesetzt; vor allem die Bergstationen im "Schnee" wirken sehr realistisch und auch die liebevoll gepflegte (echte) Bepflanzung der Landschaft trägt ihren Anteil dazu bei. Ein Besuch der Swissminiatur kann daher Freunden von Modellseilbahnen (und nicht nur ihnen!) wärmstens empfohlen werden.
Abb.4-7: Titlisbahn "Rotair". Abb.8-10: Gondelbahn Grindelwald - Männlichen. Abb.11: Standseilbahn Lugano - San Salvatore. Alle Fotos: C. Gentil
Modell eines VR101-Sessels im Massstab 1:5
Ein sehr schönes und absolut massstäbliches Modell eines Quersitz-Sessels der Bauart Von Roll VR101 hat der Modellbauer und Seilbahnfreund Jakob Schuler aus Orpund gefertigt. Auf Grund des grosszügig gewählten Massstabes von 1:5 konnte der Sessel genau wie das Original aufgebaut werden, einzig die Klemme wurde nicht funktionsfähig ausgelegt; sie ist in der äusseren Formgebung aber weitgehend dem Original nachempfunden.
Abb.1+2: Gesamtansichten des Sessels. Abb.3: Detailansicht. Man beachte die vorbildgetreue Gestaltung der Holzlattensitze und der aufklappbaren Schliessbügel. Abb.3-6: Kupplung und Gehänge. Abb.7: Wer möchte da nicht Platz nehmen bei dieser Begleitung!
Abb.8: Detailaufnahme der Holzlattensitze, Fussstützen und der Skihalterung zwischen den Sitzen. Abb.9-12: Sehr realistisch wirkende Aufnahmen des Sessels im Freien. Nur: Für die Jahreszeit wohl etwas leicht bekleidet, die Dame! Der komplette Sessel wiegt übrigens 970 gr (ohne Figur).
Abb.13: Die vorgebogenen Drähte und weitere Einzelteile liegen bereit zum Hartlöten. Für die Sesselkonstruktion wurden Eisendrähte (Schweissdrähte) mit einem Durchmesser von 4 mm (Grundgerüst), 3 mm (Dachstreben) und 10 mm (Mittelsäule) verwendet. Abb.14: Gleich zwei Sessel sind im Rohbau fertig verlötet und müssen noch verputzt und mit Silbereisenglimmer gestrichen werden. Abb.15: Die Einzelteile aus Aluminium für das Laufwerk und das Gehänge. Die vier Laufrollen mussten speziell gedreht werden. Abb.16: Der Sessel während der Endmontage. Die Sitze sind bereits fertig mit Kieferholzlatten 12 x 3 mm beplankt. Alle Holzteile wurden zum Schluss noch lackiert. Abb.17+18: In der Zwischenzeit ist bei J. Schuler die "Serienproduktion" angelaufen. Gesamthaft wurden acht Stück produziert, die aber alle unverkäuflich sind.
Abb.19-21: Der Sessel zusammen mit einem im Massstab passenden Von Roll-Mast in Szene gesetzt. Diese originalgetreue Stütze aus feinen Stahlprofilen wurde vor vielen Jahren von Von Roll-Lehrlingen gebaut und konnte erst kürzlich vor dem Alteisen gerettet werden.
Fotos: Jakob Schuler, Orpund
Überlegungen
zu eigenen Projekten
Als Modellbauer habe ich mir schon Gedanken gemacht, wie sich der vorbildgetreue, richtig funktionierende Nachbau einer kuppelbaren Umlaufbahn verwirklichen liesse. So etwas gibt es meines Wissens nach noch nicht, zumindest habe ich noch nie etwas in der Richtung gesehen. Als Vorbilder kämen für mich natürlich nur eine meiner "Lieblingsbahnen" in Frage: Eine Von Roll-Sesselbahn aus den 40er-Jahren oder eine Zweiseil-Gondelbahn der Firma Bell aus Kriens. Dabei schwebt mir ein möglichst genauer Nachbau mit allen typischen Merkmalen des Originals vor. Der Knackpunkt eines solchen Unterfangens sind sicher die Kupplungen der Fahrzeuge; bei einem möglichen Massstab von 1 : 22,5 (LGB-Gartenbahnen) werden sie zu klein, um einfach das Original kopieren zu können. Mögliche Lösungsansätze habe ich bereits zu Papier gebracht und in Form von Prototypen verwirklicht. Ob das dann im Betrieb auch funktioniert, bliebe noch weiter abzuklären. Das Hauptproblem dürfte die im Verhältnis zur Grösse viel zu geringe Masse des Fahrzeuges sein; nach dem Abkuppeln in den Stationen würde es sofort stehenbleiben, wenn es nicht von einer geeigneten Fördereinrichtung weiterbewegt würde. Auch das Beschleunigen und das Ankuppeln an das umlaufende Seil wird wohl nur funktionieren, wenn dabei mit einer derartigen Fördereinrichtung nachgeholfen wird. Wie aber wird so etwas in die Praxis umgesetzt? Abgesehen davon, dass beim Bau einer solchen Bahn höchste Präzision verlangt würde, müsste praktisch alles von Grund auf selbst angefertigt werden, da der Modellbaumarkt für solche Vorhaben kaum geeignetes Zubehör anbietet. Einzig für die normalen "Stahlbauarbeiten" wie Stützen und Stationskonstruktionen könnte man auf die im Handel erhältlichen Messingprofile zurückgreifen, die sich sehr gut weichlöten lassen. Und die grossen Seilscheiben (Antriebs- und Umlenkscheiben) liessen sich auch ohne Drehbank aus mehreren Lagen Flugzeugsperrholz fertigen. Für die vielen Seilrollen der Stützen und Laufwerke müsste dann aber wohl eine Drehmaschine herhalten, da ich auf der Suche nach entsprechenden Teilen bis jetzt noch nicht fündig geworden bin. Bei allen Problemen, die der Nachbau einer kuppelbaren Umlaufbahn aufwerfen würde, könnte man dabei seiner Kreativität freien Lauf lassen und im Falle einer erfolgreichen Verwirklichung mit Stolz und Freude das eigene Werk im Betrieb erleben. Weniger Probleme dürfte der Nachbau einer Pendelbahn bereiten; automatische Klemmen und Stationsfördereinrichtungen gibt es da nicht und bei gleichem Massstab würde alles etwas grösser, so dass nicht gerade Uhrmacherpräzision wie bei einer Umlaufbahn verlangt würde. Allerdings sollte der Arbeitsaufwand auch hier nicht unterschätzt werden; man denke nur z.B. an die 16- bis 24-rolligen gelenkigen Laufwerke der Kabinen! Für die Kabinen selbst käme wohl Flugzeugsperrholz oder Messingblech in Frage und die Stützen könnten auch hier wieder aus Messingprofilen zusammengeschraubt oder verlötet werden. Schlussendlich bleibt dem Modellbauer selbst überlassen, wie weit er es mit der Vorbildtreue und der Detaillierung treiben möchte; das Wichtigste ist sicher, dass der Spass am Tüfteln und an der Arbeit nicht verloren geht und dass man auf diese Art und Weise die Seilbahntechnik zu sich nach Hause holen kann.
Abb.1-3: Prototyp eines Laufwerkes mit 2 Klemmen für eine Zweiseil-Gondelbahn. Abb.4: Rohbau einer Kabine aus Flugzeugsperrholz. Für die "Serienproduktion" würde sich hier die GFK-Technik (Glasfaserverstärktes Epoxidharz) anbieten: Aus einem Urmodell fertigt man eine Negativform, aus der dann beliebig viele Kunstoffkabinen abgeformt werden können. Abb.5+6: Modell eines Doppelsessels "Von Roll" aus Messing mit Schwerkraftklemme im Massstab 1:22.
Nach diversen Studien und Versuchen an verschiedenen Prototypen war
es an der
Zeit, ein komplettes, funktionierendes Modell einer Seilbahn zu bauen.
Also eine Modellseilbahn mit allem drum und dran wie Antriebs- und
Spannstation, Stützen und Fahrzeugen. Und da meine Vorlieben in erster
Linie den älteren Schweizer Bahnsystemen gelten, musste als
Vorbild für meinen Nachbau natürlich einer dieser klassischen
Seilbahntypen herhalten. Die Frage ob Pendel- oder Umlaufbahn war
schnell beantwortet: Eine kuppelbare Umlaufbahn sollte es werden, da
mich dieser Bahntyp in besonderem Masse fasziniert und ich mich der
modellbauerischen Herausforderung stellen wollte.
Nachdem im Jahr 2009 die letzte Von Roll-Sesselbahn der Schweiz am
Weissenstein ihren Betrieb einstellen musste und die Anlagen 2013
abgebrochen wurden, stand der Entschluss fest: Dieser Sesselbahntyp
soll in Form eines Modells wieder aufleben!
Folgende Fragen standen nun im Raum:
- welcher Nachbaumassstab soll gewählt werden?
- wie kann die Kupplung im Modell mit vertretbarem Aufwand
umgesetzt werden, so dass sie auch zuverlässig funktioniert?
- gibt es Fertigteile zu kaufen, was muss selbst hergestellt werden?
- welche Werkzeuge stehen zur Verfügung?
- welche Materialien kommen in Frage?
- welches sind meine eigenen Fähigkeiten, was traue ich mir zu?
Bereits nach den ersten Machbarkeitsstudien ahnte ich, dass der
Modellnachbau keineswegs mal so "schnell übers Wochenende" vonstatten
gehen wird und dass erst zahlreiche konstruktive und
fertigungstechnische Probleme zu lösen wären. Getreu dem Motto "gut
geplant ist halb gebaut" machte ich mich an die Planung meines
Vorhabens.
Der
Massstab
Als Massstab wählte ich ein Grössenverhältnis von 1 : 10, also zehn mal
kleiner als das Original. In dieser doch respektablen Baugrösse werden
alle Teile so gross dass man sie gut herstellen und in die Hand nehmen
kann; Fummeleien an kleinsten Teilchen halten sich in Grenzen. Auch
verspricht dieser Massstab gute Fahreigenschaften und eine entsprechend
realitätsnahe Wirkung auf den Betrachter. Und nicht zuletzt lassen sich
die Originalmasse mit dem Faktor 10 sehr einfach ins Modell umrechnen.
Als Nachteile müssen der etwas grössere Platzbedarf und die höheren
Materialkosten genannt werden.
Die Kupplungen
Die eigentlichen Herzstücke und zugleich auch die wohl
anspruchsvollsten Teile einer kuppelbaren Umlaufbahn sind die
automatischen Kupplungen, mit denen sich die Sessel am Seil
festkrallen. Das Funktionsprinzip und die Bauform dieser Klemmen
bestimmen die Konstruktion von weiteren Teilen der Seilbahn wie
Seilrollen, Rollenbatterien, Kuppel- und Entkuppelstellen sowie die der
Stationsschienen. Daher müssen also zuerst die Kupplungen konstruiert,
gebaut und erprobt werden, bevor man sich an die Planung der übrigen
Komponenten machen kann.
Bei der äusseren Bauform der Kupplungen hielt ich mich weitgehend an
das Vorbild. Nur die eigentliche Kuppelmechanik mit den Klemmbacken
musste stark vereinfacht werden. Versuche mit im Klemmengehäuse
beweglich gelagerten Klemmbacken, die das Seil mittig einklemmen,
verliefen bereits vielversprechend. Auf der Suche nach weiteren
Vereinfachungen kam mir dann die Idee mit einem im Gehäuse
eingesetzten, starken Neodym-Magneten, an welchem sich das
Stahl-Litzenseil anheften kann. Zwecks Erhöhung der Reibung zwischen
Seil und Magnet ist dessen Oberfläche mit dünnem Sandpapier beklebt.
Die so entstandene Kupplung weist nun folgende Vorteile auf: Einfach in
der Herstellung, da keine beweglichen Teile nötig sind; unempfindlich
gegenüber Fertigungstoleranzen, da das Seil vom Magneten immer in die
Rille des Klemmstücks gezogen wird; absolut problemloses An- und
Abkuppeln vom Seil. Trotz der äusserlich einigermassen korrekten
Wiedergabe der
Kupplung entspricht diese Funktionsweise natürlich nicht dem Original.
Einfache Herstellung und sicheres Funktionieren im Betrieb sind aber
bestimmt höher zu gewichten.
Die Seil- und die Kupplungsrollen
Für den Bau einer Modellseilbahn sind zahlreiche Rollen für die Trag-
und Niederhaltemasten sowie für die Kupplungen notwendig. Ist man im
Besitz einer Drehbank, kann man diese Teile natürlich selber
herstellen, was aber aufgrund der benötigten Menge sehr zeitraubend
ist. Dank der hilfreichen Organisation eines Kollegen liessen wir daher
die drei benötigten Rollentypen nach meinen Zeichnungen durch eine
Firma auf einem Automaten drehen, was absolut gleichbleibend perfekte
und masshaltige Messingteile ergab. Obwohl es sich hier um eine
Kleinserie handelte, hielt sich der Preis erfreulicherweise in sehr
engen Grenzen!
Die Sessel
Nach dem Bau von zwölf Kupplungen und Gehängen wurden gleich die zehn
Sessel in Angriff genommen. Somit verbleiben noch zwei Kupplungen: je
eine für eine Transportbarelle und eine für eine später zu bauende
Kabine.
Die Sessel bestehen im Wesentlichen aus einem Gerippe aus
2,5mm-Messingdraht. Die einzelnen Drahtteile wurden auf einer
Biegelehre in die richtige Form gebogen und anschliessend miteinander
verlötet. Die Mittelsäule besteht aus einem 5mm-Messingrohr und die
Fussstützen aus dünnem Messinggitter. Nach dem Spritzlackieren der
rohen Sessel wurden noch die Holzlättchen der Sitze und Lehnen
eingepasst und mit Epoxidharz verklebt. Wie beim Original lassen sich
die Sicherheitsbügel öffnen und schliessen. Die Verdecke aus dünnem
Blachenmaterial und die Immitationen der Lederriemchen bildeten den
Abschluss der Arbeiten an den Sesseln.
Die Stützen
Für den Bau der Fachwerkstützen verwendete ich die im
Modellbaufachhandel erhältlichen Messingprofile. Einzig die
Hauptstützprofile (H 14x6 mm) waren nicht in der erforderlichen Grösse
verfügbar. Daher musste ich diese aus je einem Flachprofil 10x2 mm und
zwei Flachprofilen 6x2 mm zusammenlöten. Die Streben bestehen aus
L-Profilen 6x6 mm.
Der Aufbau entspricht weitgehend demjenigen des Originals. Alle Teile
wurden weichgelötet. Die fertige Stütze erweist sich als sehr steif und
verdrehsicher, was in der genialen Konstruktion des Originals begründet
ist.
Um die Anfänge der Von Roll-Sesselbahnen zu dokumentieren, baute ich
zusätzlich noch eine Holzstütze, wie sie bei der Erstanlage von 1945 in
Flims zur Anwendung kam. So kurz nach dem Krieg war der Baustahl noch
rationiert und die Bahnbauer waren gezwungen, die Masten aus heimischem
Lärchenholz zu zimmern.
Für diese Modellstütze verwendete ich billige Kieferleisten aus dem
Baumarkt, die gemäss Zeichnung zugesägt und miteinander verklebt
wurden. Die Verschraubungen aus M3-Gewindebolzen und Vierkantmuttern
dienen lediglich der Detaillierung und haben keine verbindende
Funktion. Das Stützenjoch und die dazugehörenden Verstrebungen wurden
aus Messingprofilen gefertigt und mit dem Stützenschaft verschraubt.
Für den Bau des Holzmastes standen mir keine Originalpläne zur
Verfügung. Meine Zeichnung entstand daher mit Hilfe von Fotos, wobei
die Masse nur geschätzt werden konnten. Trotzdem glaube ich, die
Hauptproportionen einigermassen getroffen zu haben.
Die
Rollenbatterien
Diese bestehen gänzlich aus Messing. Zuerst wurden alle Wippen, in
denen jeweils zwei Seilrollen zusammengefasst sind, hergestellt. Der
weitere Aufbau der Balanciers geht aus den Fotos hervor. Gebaut wurden
vier Vierer-, drei Sechser- und zwei Achter-Rollenbatterien. Die
ungerade Zahl der Sechserbatterien kommt daher, weil eine asymmetrische
Einfahrstütze geplant ist mit einer Achterbatterie auf der Einfahrseite
und je einer Achter- und einer Sechserbatterie auf der Ausfahrseite.
Das grosse zweirillige Antriebsrad und die einrillige Umlenkscheibe der
Spannstation (je 300 mm Durchmesser) bestehen aus hochwertigem,
mehrfach
verleimtem Flugzeugsperrholz. Im Zentrum der in Sandwichbauweise
gefertigten Seilscheiben sitzt jeweils eine gedrehte Nabe aus
Aluminium, in die je zwei Kugellager eingepresst wurden. Die
scheibenförmigen Holzteile habe ich erst auf einer Decoupiersäge
ausgesägt und dann mit Hilfe eines Dorns auf der Bohr-Fräsmaschine
aufgespannt und für einen exakten Rundlauf nachbearbeitet.
Anschliessend wurden alle Einzelteile mit Epoxidharz untereinander
verklebt und zum Aushärten unter einer schweren Steinplatte gepresst.
Für das etwas kleinere (200 mm) einrillige Gegenrad der Antriebsstation
verwendete ich ein Grauguss-Schwungrad aus dem Bereich des
Dampfmaschinenmodellbaus. Dieses wurde auf die erforderlichen Masse
abgedreht, mit einer Seilrille versehen und ebenfalls mit zwei
Kugellagern bestückt.
Die komplette Antriebsstation besteht aus folgenden Komponenten:
- Grundplatte (Fundament) aus Sperrholz
- Antriebsbock mit den Seilscheiben, dem Getriebe und dem Motor
- hintere Stütze für den halbkreisförmigen Gleisbogen
- vordere Stütze mit den Niederhaltern für die Ein- und Ausfahrt
- einfahrseitige Stationsschiene (Auskuppelstelle)
- ausfahrseitige Stationsschiene (Einkuppelstelle)
- halbkreisförmiger Umführungsbogen
- Kettenförderer und Startapparat
- Steuer- bzw. Fahrgerät
Beim Aufbau der Antriebseinheit orientierte ich mich so weit möglich an der Konstruktion des Originals und verwendete durchwegs 1mm-Messingblech und verschiedene Profile des selben Materials. Ein Problem ergab sich allerdings: Ein Hauptantriebszahnrad mit einem Durchmesser von 300 mm (gleiche Grösse wie die Antriebsscheibe) war als Fertigprodukt nicht aufzutreiben und eine Einzelanfertigung erwies sich als zu teuer. Daher wich ich auf die im Handel erhältlichen preisgünstigen Kunststoffzahnräder mit Modul 2 aus und wählte als Antriebsrad das grösstmögliche mit 70 Zähnen. Das dazugehörende Ritzel hat die Zähnezahl von 15. Für das Schneckengetriebe verwendete ich einen Schneckenradsatz der Firma Conrad mit einer Übersetzung von 1:40. Das Schneckengetriebe läuft in einem Messinggehäuse mit Kugellagern für die Wellen. Die Antriebskraft kommt von einem 12-Volt-Gleichstrommotor (Torpedo 800 von Conrad) der über einen Zahnriemen mit dem Schneckengetriebe verbunden ist. Anfängliche Versuche mit einem Getriebemotor und einer Verbindung zum Schneckengetriebe über Stirnzahnräder befriedigten wegen der zu grossen Lärmentwicklung nicht.
Nach dem Aufbau des Antriebsbocks auf die Grundplatte und der
Montage der Stationsschienen war die Station soweit fortgeschritten,
dass damit endlich erste Versuchsfahrten durchgeführt werden konnten.
Zuerst musste aber noch ein entsprechendes Seil gespleisst werden.
Anfängliche Veruche verliefen nicht gerade erfolgsversprechend und ich
produzierte vor allem einige Meter an Ausschuss. Irgendwann gelang es
mir endlich, die beiden Seilenden sauber und vor allem bombenfest zu
"verheiraten", wie es in der Fachsprache heisst, aber das Verspleissen
der einzelnen Lizenenden erwies sich als zu grosse Fummelei an meinem 3
mm-Seil. Deshalb wendete ich einen ganz und gar nicht fachmännischen
Trick an: Jeweils zwei sich gegenüberstehende Litzen schnitt ich genau
so ab, dass sich ihre Stirnseiten bündig berühren. Gegen das Aufstehen
aus der Seiloberfläche wickelte ich einfach ein dünnes Klebeband und
die Stossstelle. An einem späteren Seil werde ich versuchen, die
zusammenstossenden Litzen einfach mit etwas Epoxidhard zu versiegeln.
Aus der bereits vorhandenen Umlenkscheibe der späteren Spannstation
baute ich noch eine einfache provisorische Umlenkstation und nach dem
Einlegen des fertig gespleissten Seils konnte ich endlich mit den lang
herbeigesehnten Versuchsfahrten beginnen.
Diese verliefen ohne nennenswerten Probleme, alles funktionierte wie
vorausgeplant. Trotz allem zeigt die Bahn aber vorläufig noch zwei
unangenehme Eigenschaften, die ich vorausgeahnt habe: Zum Einen
beschleunigen die Sessel auf der schrägen Rampe zu stark und erreichen
eine zu hohe Geschwindigkeit, was beim Ankuppeln an das langsamer
laufende Seil zu einem unschönen Abbremsen führt. Und zum Zweiten
rollen die Fahrzeuge bei der Einfahrt nach dem Abkuppeln kaum aus, was
auf die geringe Masse der Sessel zurückzuführen ist. Das Problem des zu
starken Beschleunigens versuche ich mit geeigneten Bremseinrichtungen
in den Griff zu bekommen, während das weitere Ausrollen später vom
Stationsförderer übernommen werden sollte.
Nun geht es an das Auswerten der Fahrversuche und an das Optimieren der beteiligten Komponenten. Danach wird die Antriebsstation noch mit diversen Details und dem Kettenförderer komplettiert. Nach Abschluss dieser Arbeiten wird dann der Bau der Spannstation in Angriff genommen, wobei die gemachten bisherigen Erfahrungen hoffentlich einfliessen können.